Der Tönninger Hafen


Der Hafen von Tönning war bis in die 70er Jahre Heimat einer der größten Krabbenkutterflotten. Er wurde aber Anfang des 17. Jh als Handelshafen gebaut und machte Tönning zur wichtigsten Stadt Eiderstedts.

Endstehung

Der älteste Tönninger Hafen war nur eine kleine Bucht zum Anlegen nordöstlich von Tönning am Ausgang eines Sielzuges. Anfang des 17. Jh. waren die Landverbindungen in sehr schlechtem Zustand. Die Wege waren insbesondere bei Regen und im Winter völlig aufgeweicht und ließen kaum einen Warentransport zu. Zustände, die bis in das 19. Jh. andauern sollten. Nur auf dem Wasserweg konnten die Waren zügig transportiert werden. Wasserstrassen und Häfen waren die Haupttransportwege und damit die wichtigste Handelsgrundlage und das nicht nur für den Fernverkehr.

Foto: Kohlus, 2000
Das Foto oben zeigt den östlichen Hafenteil. Das Gebäude im Hintergrund beherbergt heute das Wasser- und Schifffahrtsamt. Früher war es das Haus der Fährgesellschaft, die die Eider zu queren half und zeitweise der Wohnsitz der Familie des bedeutensten Botanikers Australiens. Ziel der Landesherren war es daher in ihren Gebieten den Wassertransport und die zugehörige Infrastruktur auszubauen. Handel versprach Geldmittel durch direkte - Hafen- und Waagegeld - und indirekte Einnahmemöglichkeiten. Und die wirtschaftliche Produktion hatte Anfang des 17. Jh. in Eiderstedt einen deutlichen Aufschwung genommen. 1610 wurden auf der Waage in Tönning an Ausfuhrgüttern u.a. 3 457 683 Pfund Käse (Andresen 1985) gewogen, der fast ausschließlich über den Landweg weitertransportiert wurde. Der Hafen Husum bot keine Alternative, da er für die damaligen Verhältnisse weit weg lag, der Anfahrtsweg über die Hever für die Segelschiffe zeitaufwendig war und zudem verschlickte (Staeglich 1990).

Der Tönninger Hafen im Januar 1963, bis in die 70ziger Jahre war die Krabbenfischerei einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in der Stadt.
Foto: Rohde, 1963
So stellte der Landesherr Herzog Johann Adolf von Gottorf in einem Schreiben an den Eiderstedter Staller Hermann Hover am 2.1.1611 fest, "daß aus Mangel eines guten Hafens die Schiffe bei unserer Stadt Tönning ganz abgelegen sind und als dadurch die Schifffahrt zu Unseren Untertanen merklichen Nachteil und Schaden zum guten Teil gehindert" seien. Der Staller wurde aufgefordert sich mit verständigen Bürgern ins Benehmen zu setzen und den Bau eines Hafens anzugehen.

Die Nachbargemeinden, Tetenbüll und Kotzenbüll, forderten vom Herzog durch eine Binnenfahrt (Kanal) zum Hafen Zugang zu erhalten. Ein nachvollziehbarer Wunsch, denn es war bereits auch der Bau eines Kanals von Garding zu seinem Hafen Kating Siel geplant. Auch für den Kurztransport von Waren war eine Schiffsanbindung ein wichtiger Vorteil. Dem Wunsch wurde entsprochen und nicht nur das, bald darauf wurde auch der Bau eines Kanals zwischen Tönning und Kating "de nve gruft" in Angriff genommen.  Südereiderstedt wurde mit einem Netz von Kanälen an die Hauptschifffahrtslinie Eider angebunden.

Als Bauherr wurde der aus Holland stammende Johann Claussen Rollwagen*1) benannt, der seine Fähigkeiten bereits bei einigen Deichbauten im Ostfriesischen gezeigt hatte. Der Gottorfer Herzog ernannte ihn zum Generaldeichgraf und wies ihm das Tönninger Schloss als Wohnsitz zu.
Kurz nacheinander wurden die Kanäle noch 1612 fertig gestellt, die Süderbootfahrt oder "nve gruft" folgte 1613.  Auch im Jahre 1613  wurde der Tönninger Hafen im groben fertig gestellt. Eine technische Meisterleistung zu dieser Zeit, die allerdings nicht ohne Konflikte erreicht wurde. Es fehlte an  Bauholz, das zu großen Teilen aus Norwegen herangeschaft wurde, und es kam zu Auseinandersetzungen mit den Arbeitern. Ein Aufseher von Johann Claussen Rollwagen wurde gelyncht nachdem er einen Arbeiter erschossen hatte. J. C. Rollwagen selbst mußte Lösegeld aufbringen um freies Geleit zu erhalten.

Schiffer und Schiffergilde

Die Berufsgruppen sind im 17. Jh. in Gilden und Zünften organisiert. Sie wahren die Interessen der Mitglieder, dienen der sozialen Absicherung und geben den Rahmen für das gesellschaftliche Zusammenleben.
Auf die Pläne zum Baus des Hafens reagieren die Tönninger Schiffer besorgt, sie fürchten den Druck der Konkurenz. Daher fordern sie, daß fremde Schiffer aus anderen Ländern und Orten  keine Fracht aufnehmen dürfen sollen, bevor nicht die Kapazitäten der lokalen Schiffer ausgeschöpft sind. Ein Anliegen, daß dem Ziel des Handelausbaues entgegenläuft und vom Herzog abgelehnt wird. Auch wird der Bitte der Schiffer, sie vom meist sommerlichen Einzug in den Militärdienst zu befreien um ihr Gewerbe besser durchführen zu können, nicht nachgekommen.

Ihre soziale Rolle übernimmt die Gilde bei der Versorgung von Witwen und Weisen, so der Hausherr durch Wind und Wetter umgekommen ist. Als Fürsorge haben sie von jedem Mitglied 2 Taler zu erhalten.

Das soziale Leben in der Gilde unterlag rauhen Sitten, wie aus der Satzung geschlossen werden kann: So soll bei den Zusammentreffen "jeder, ob Mann oder Frau, nach gehaltener Mahlzeit, up der Wehrdes oder Olderlüde Erforderung, sein Messer, Poek (Pike) oder andere scharpe Gewehre (Waffen) von sich geben". Auf schlag zehn Uhr abends ist nach Hause zu gehen, denn besonders im Winter war umfangreiches Zechen und Prassen im Rahmen der Zünfte und Gilden üblich.
(nach Andresen 1985).

Der Hafen war nun 600 m lang, hatte eine Sohlenbreite von 5,00 bis 9,55 m und war von einer Böschungen von 45% umgeben. Als im August 1613 ein Sturm starke Schäden an den Böschungen hinterließ entschloß man sich, sie mit Pfählen und Bohlen abzusichern und eine kurze Mole (Struckhöved) am westlichen Hafenausgang gegen die Wellen zusätzlich anzulegen. J. C. Rollwagen ging zurück nach Holland, die Arbeiten wurden nun unter Leitung seines Mitarbeiters Jan Clausen Coott *1) zu Ende geführt.

Noch in der Bauzeit, am 18.9.1613, erließ Herzog Johann Adolf eine Hafenordnung. Ein Hafenmeister wurde mit zwei Gehilfen - dem Schleusenaufseher und Hafenaufseher - eingesetzt. Der Hafenmeister erhielt eine Dienstwohnung bei der Schleuse. Die Aufgaben des Hafenmeisters glichen in vielem den heutigen: es galt den Schiffen die Liegeplätze zuzuweisen, die Einnahme der Hafengelder zu kontrollieren und für die Einhaltung der Hafenordnung zu sorgen. Zur Hafenordnung gehörten Sicherheitsbestimmungen und Organisationsmaßnahmen. Die entladenen Schiffe hatten die Liegeplätze im inneren Hafen sofort zu räumen, bei der Ankunft durften sie nur eine Stunde in der zweiten Liegebucht verbleiben, bis ihnen ein Liegeplatz zugewiesen wurde. Der Ladeverkehr wurde räumlich nach Warengruppen getrennt: Das Be- und Entladen von Kalk und Steinkohle wurden an der Hafennordseite getrennt von Torf und Holz auf der Südseite vollzogen. Nahrungsmittel - Korn und Käse - wurden wiederum an anderer Stelle verladen. Die Schiffe durften nicht quer zur Strömung im Hafen liegen um die Entwässerung des Landes nicht zu behindern. Sehr genau wurde auf den Feuerschutz geachtet, denn Feuer war die Hauptursache von Schiffsverlusten und auch eine große Gefahr für die Stadt. So durfte auch im Winter nicht vor 7 Uhr morgens und auch nicht nach 18:00 Uhr am Abend Feuer gemacht werden, im Sommer galt 19:00 Uhr.

Der Hafen führte zum wirtschaftlichen Aufschwung in der Stadt. Ab 1614 wurde ein Hafengeldregister geführt. Für 1616 sind Einnahmen von 1187 Talern Hafengeld verzeichnet. Importiert wurden Waren  für den den Haushaltsbedarf und Rohstoffe für das Handwerk: Salz (insbesondere zur Konservierung !), Hopfen, Gewürze, Honig, Essig und Obst aus dem Elbegebiet; auch feine Textilware und Töpfer- wie Glaswaren als Konsumgüter. Bauholz, Eisen , Blei, Kupfer, Zinn und Farbstoffe als Grundstoffe für das Handwerk; Holz und Torf als Brennstoff. In den Export gingen landwirtschaftliche Produkte: Gerste und Hafer, Felle und Häute (1624 über 8000 Stück), Speck und Talg und vor allem Käse. Ein reichhaltiges Sortiment von "Rother Maikäse", "Alter Süßmilchkäse", "Herbstkäse" und "Graßkäse" wurde vor allem nach Holland ausgeführt. Der Handel mit lebendem Vieh verlief weiter über das Land, da der Transport von lebendem Vieh mit den Schiffen risikoreich und schwierig war. Viele hunderte wurden über die Straßen getrieben, 1615 wurden dagegen nur 33 Pferde und Ochsen als Schiffsfracht nach Holland verzeichnet.

Unter einer eigenen Handelsfahne - rot mit gelbem Schwan - fuhren Tönninger Schiffe nach Stade, Buxtehude, Emden, Bremen, Hamburg, Rotterdam, Amsterdam, Jütland, Schweden, in die Ostsee bis Danzig, nach England, durch den Ärmelkanal nach La Rochelle in Frankreich und beteiligen sich zum Teil am Westindienhandel.

An der Südwestseite, etwa dort wo auch die heutige liegt, entsteht 1613 eine kleine Werft, die sich vor allem auf Reperaturen beschränkt. Der Hafen bringt neue Berufszweige nach Tönning: einen Schiffsinvisiteur, 2 Reepschläger, einen Segel- und einen Brückenmacher. Der Hafenhandel führt zum Wohlstand einiger Händler. 1623 vereinen 56 Händler die ungeheure Kapitalkraft von 483 424 Mkl.. Und in Gefolge des Wohlstandes fanden sich drei Tabakspinner sowie 5 Goldschmiede ein. Sogar ein Bildungsinteresse erwächst, 6 Privatschulmeister und drei Buchbinder sind verzeichnet.


*1) Niederländisch Jan Claesz Rolwaghen, in Eiderstedt niederdeutsch als Rullwagen benannt. Oft verwechselt mit seinem Sohn Claus Jansen Rollwagen, mit Johann Claussen dem Deichgraf im Amt Tondern und dem Kaufmann und zeitweise Deichmeister Jan Clausen Coott - auch als Johan Claweßen Koth oder Johann Clawes Coth genannt (zur Klärung siehe Witte 2007).